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The need for speed

By 13. März 2014No Comments

Vor die Wahl gestellt: Einen Ferrari oder einen Opel? Keine Frage man nimmt den Sportwagen! Aber stellen wir uns eine Welt vor, in der nur Ferraris auf den Straßen sind – mit allen möglichen Fahrern, vom unerfahrenen 17 jährigen Teenager zum 75 Jahre alten „etwas tüddeligen“ Großvater. Ich denke das wäre chaotisch und gefährlich.

In der (Working-) Retriever-Welt scheint es als wäre Schnelligkeit eins der wichtigsten Kriterien für viele Welpen Käufer und damit auch Züchter, die sich nach den Anforderungen des Marktes richten. Natürlich kann Schnelligkeit – gepaart mit vielen anderen Qualitäten eine tolle Sache sein und zwar in erfahrenen Händen, in denen der Trainer weiß einen solchen Welpen aufzuziehen und auszubilden.

Unglücklicherweise ist nicht jeder Welpen Käufer ein erfahrener Hundeführer. So freut er sich über seinen neuen Welpen und fängt früh mit dem Dummy Training an. Da der Welpe abgeht wie eine Rakete, werden sehr schnell lange Retrieves gearbeitet – der Welpe macht das wunderbar, also was soll falsch daran sein? Aber es ist natürlich noch ein Welpe, also kann er noch keine Blinds arbeiten und alle (oder fast alle) seine Retrieves sind Markierungen. Es ist gut ihn zu einem guten Markierer auszubilden, denn in den Anfängerprüfungen sind die meisten Tests Markierungen, die er dann gut arbeiten kann.

(Da in der Anfängerklasse die meisten Aufgaben Markierungen sind, ist es doch sinnvoll ihn zu einem guten Markierer zu machen, damit er gut abschneidet.)

Und was passiert danach? Aus dem Welpen wird ein ausgewachsener Hund. Der ist nun noch schneller und stärker, sein Besitzer hat ihn scharf und heiß gemacht. Das bedeutet, dass er in der Line neben seinem Führer so auf die Werfer und Markierungen fixiert ist, dass er fast vergessen hat das jemand neben ihm steht. Er steht unter Stress und wartet auf die Freigabe durch seinen Führer, oder er beobachtet einen anderen Hund bei der Arbeit und das erhöht den Druck in ihm. Mit jeder Sekunde wächst der Druck und damit der Stress, der dadurch hervorgerufen wird, mehr und mehr. Abhängig von der mentalen Entwicklung und dem Nervenkostüm des Hundes, führt dies früher oder später – meistens früher – zu dem Punkt wo er den Stress nicht mehr aushält und Fehler macht. Er schummelt sich etwas vorwärts oder springt sogar ein, sehr häufig sind auch fiepen oder das Herumkauen auf dem Dummy oder Vogel.

Einige Führer ignorieren diese Fehler und machen nichts. Nach meiner Meinung wird nichts tun auch nichts verändern, das Problem wird also nicht einfach vorübergehen. Andere versuchen den Hund zu korrigieren. Aber für eine Korrektur müssen das Timing und die Intensität der Korrektur richtig sein. Mal ganz davon abgesehen, dass dem Hund im frühen Training hätte beigebracht werden müssen, wie er mit derartigen Korrekturen umzugehen hat – ohne dieses Verständnis beim Hund oder wenn die Korrektur nicht zum richtigen Zeitpunkt oder mit der richtigen Intensität (zu viel oder zu wenig) ausgeführt wird, wird das Problem nur größer und der Hund wird noch nervöser. Einige Führer loben den Hund sogar für die Fehler, indem sie ihm zum Beispiel Lekerlies zwischen zwei mal Fiepen geben in der Hoffnung der Hund versteht, das von ihm erwartet wird ruhig zu sein. Aber diese Methode funktioniert nicht wirklich und so endet man mit einem Hund, der nur ruhig sein kann, wenn er etwas im Maul hat.

Nicht zuletzt ein Hund der in der Line gestresst ist, der zwar physisch, aber eben nicht mental steady ist, kann leicht außer Kontrolle geraten nachdem er zum Retrieve gesendet wurde. Er kann sich einfach nicht mehr wirklich auf seine Aufgabe und die Kommandos seines Führers konzentrieren.

So was ist die Schlussfolgerung? Sollte jeder einen Opel kaufen?

Natürlich nicht. Aber jeder Hundeführer sollte ausreichend selbstkritisch sein und seine eigenen Qualitäten einschätzen können. Er muss schon zu einem frühen Zeitpunkt einschätzen können was für einen Hund er in Händen hat. Ist es ein selbstbewusster oder dickköpfiger Hund? Oder ist er vielleicht sehr sensibel? Entwickelt er sich sehr schnell oder braucht er mehr Zeit um mental zu reifen? Wie viel Druck kann er aushalten? Ist es besser nur mit mentalem Druck (wie z.B. verbalen Korrekturen) zu arbeiten oder benötigt er auch manchmal physische Korrekturen (zum Beispiel mit der Leine) und wenn ja, wie viel? Wann ist er bereit um mit dem Training in Gruppen zu beginnen? Wie geht er mit zusätzlichen Aufregungen und Herausforderungen (wie Wasserarbeit, Schüssen, Konkurrenzsituationen usw. um). Die Liste ließe sich endlos fortführen. Ohne klare Antworten auf diese Fragen zu haben erhöhen wir die Chance am Ende einen heißen, fiependen, nervösen Hund zu haben, der möglicherweise wie eine Rakete abgeht und wunderbar lange Retrieves arbeitet, wir aber nie die Chance haben werden dies zu zeigen, da die Richter ihn ausschließen bevor wir ihn schicken können.

Der Schlüssel zu einem ausgeglichenen Hund ist (1) die Zucht (2) solides Grundlagentraining und (3) der Aufbau einer guten Beziehung zum Hund. Aber das sind Themen für einen anderen Artikel. Bis dahin: Geschwindigkeit ist gut, aber unser Sport wird nicht von der Stoppuhr entschieden.