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Wasserrute

By 8. Oktober 2012No Comments

Ein fast lustig wirkender Name – eine jedoch sehr schmerzhafte Erkrankung: die Wasserrute. Besonders im Sommer treffen wir Tierärzte in Einzelfällen auf diese recht unbekannte und unerforschte Krankheit. Zum Glück verläuft die Heilung meist rasch und mit gutem Ausgang.

Die Vielfältigkeit der Bezeichnungen für die Erkrankung lässt erahnen: Bis heute sind weder das Krankheitsgeschehen noch die Therapiemöglichkeiten abschliessend geklärt. Die Begriffe reichen von Wasserrute über Hammelschwanz, cold tail syndrome (kalte Rute), limber tail syndrome (schlaffe Rute), cold water tail (Kaltes-Wasser-Rute) bis zu dead tail (tote Rute). Das Einzige, worüber man ganz einig ist: Der betroffene Hund leidet über mehrere Tage an starken Schmerzen.

Wie sehen die Symptome aus?

Die auftretenden Symptome sind wie die Namensgebung unterschiedlich. Der Rutenansatz schmerzt und die Schwanzbasis wird gerade vom Körper weggestreckt, der Rest des Schwanzes dagegen hängt schlaff hinunter. Bei manchen Hunden ist das Fell um den Schwanzansatz gesträubt. Viele betroffene Hunde sind versunsichert und trauen sich nicht richtig, Urin und Kot bzusetzen. Je nach Schweregrad des Schmerzes sind sie auch vorübergehend sozial unverträglich und zum Teil sogar aktiv aggressiv. Der Hund ist unfähig, sich normal hinzusetzen. Meist nimmt er den so genannten Welpensitz ein, das heisst, er kippt zum Hinsitzen seitlich das Becken, um dem Schmerz auszuweichen.

Die Ursachen sind nicht vollständig erforscht

Betroffen sind meist Hunde, mit denen intensiv gearbeitet wird. Gehäuft tritt die Krankheit deshalb bei folgenden Rassen auf: Pointer, Setter, Beagle, alle verschiedenen Retriever und Foxhounds. Theoretisch kann aber jede Hunderasse betroffen sein. Im Durchschnitt sind die Hunde zwischen einem halben und neun Jahren alt, am häufigsten betroffen sind aber Hunde im Alter von zwei Jahren. Rüden trifft es häufiger als Hündinnen. Das Auftreten der Wasserruten-Symptomatik steht in den allermeisten Fällen im Zusammenhang mit harten Belastungen, anstrengenden Jagden oder vorangegangenem Schwimmen in sehr kaltem oder aber auch sehr warmem Wasser. Auch der allgemeine Trainingszustand des Hundes scheint eine bedeutende Rolle zu spielen: Je untrainierter die Hunde sind, desto häufiger sind sie betroffen. In einzelnen Fällen wurde sogar als Ursache langes Verweilen in einer Transportbox angegeben sowie auch ganz einfach ein nasses Fell bei nasskaltem Wetter. Zur Zeit wird von verschiedenen Seiten diskutiert, ob der Ansatzpunkt der Rute (zu hoch angesetzte Rute) und die Aktivität der Rute (Wedelintensität und -ausprägung) nicht doch einen grossen Anteil zum Problem beitragen.

Was geschieht im Rutenansatz genau?

Es gibt folgende Theorien, was sich aus medizinischer Sicht in der betroffenen Körperregion abspielt:

  • es handelt sich um eine Stauchung der Schwanzwirbelgelenke
  • durch die Belastung entsteht eine Entzündung zwischen den Wirbeln, einer Überbeanspruchung ähnlich
  • die Muskulatur an der Rute wird vorübergehend zu schlecht durchblutet
  • es besteht ein Muskelschaden an den Muskeln, welche für die Rute zuständig sind

Die letzten beiden Erklärungen scheinen zur Zeit am wahrscheinlichsten. Vermutlich beinhaltet das Krankheitsgeschehen beide Punkte. Erste Studien [J. C. Wright, K. Braund, J. Steiss und Team W. Eward, Dr. Gillette (2003)] deuten in diese Richtung.

Bei den betroffenen Hunden ist ein Muskelenzym (die Creatinkinase) im Blut messbar erhöht, was auf einen Muskelschaden hindeutet. Sobald die Symptome verschwinden – in der Regel nach etwa zwei Wochen –, sind auch diese Enzyme wieder im Normbereich. Ebenso wurden unter dem Mikroskop im Gewebe bestimmter Schwanzmuskeln Muskelfaserveränderungen entdeckt. Sogar veränderte Muskelstrom-Messungen konnten nachgewiesen werden [Dr. Janet Steiss, 1987]. Und als letzte bisher nachgewiesene Veränderung konnte man in der Thermographie (Wärmeaufnahmen) eine deutlich reduzierte Temperatur von 2–3° Celsius im betroffenen Bereich messen. Dermassen schmerzhaft ist das Geschehen bestimmt auch, weil das Gewebe in der betroffenen Region schlecht dehnbar ist und durch die Schwellung ein enorm gesteigerter Druck auf das Bindegewebe und die Gefässe wirkt und somit die Durchblutung negativ beeinflusst.

Behandlungsmöglichkeiten

Leider ist die Wasserrute eine noch recht unbekannte Erkrankung und wird als solche meist nicht erkannt, was jedoch gar nicht so dramatisch ist, denn sie verschwindet wieder ganz von selbst. Manchmal werden aber auch Fehldiagnosen gestellt, wie zum Beispiel Schwanzwirbelbrüche oder -einrisse, Analdrüsenverstopfung und Prostataleiden. Leider treten bei einem Drittel der Hunde die Symptome, sobald das Training wieder auf genommen wird, innerhalb weniger Tage wieder auf. Deshalb wäre es natürlich ideal, wenn man feststellen kann, wo das Problem herrührt, um dem Hund einen Rückfall zu ersparen.

Zur Behandlung bieten sich folgende Möglichkeiten an:

  • Entzündungshemmer verabreichen, welche auf die Entzündung und damit den Schmerz bekämpfen (NSAID = nicht cortison-haltige Entzündungshemmer)
  • warme Packungen an der Schwanzbasis (Rotlich)
  • Ruhe und Schonung
  • physikalische Medizin (z. B. Laser), welche den Muskeln bei der Regeneration hilft
  • Physiotherapie
  • als Alternative Komplementärmedizin (z. B. Bellis perennis C 30, 1 x 3 Globuli, Traumeel, Retterspitz)

Vorbeugende Massnahmen

In beinahe allen Fällen erholt sich die Rute komplett. In ein paar wenigen Fällen (bis zu 16 % [Dr. Eward, 2003]) bleibt eine abnorme Schwanzhaltung bestehen, was das Ende der Laufbahn als Ausstellungshund bedeuten kann. Was bleibt nun, um der Entstehung einer Wasserrute entgegenzuwirken?

  • Seien Sie sich sicher, dass Ihr Hund vor der Jagd- und Field-Trialsaison sorgfältig und genügend trainiert wird. Bringen Sie ihn schrittweise in Form, ohne ihn zu überbeanspruchen oder zu stressen. Auch das Schwimmen muss trainiert werden.
  • Denken Sie für Ihren Hund mit. Kennt er seine eigenen Grenzen nicht oder überschreitet er diese gerne, so ist es Ihre Aufgabe, ihm genug Erholungspausen zu bieten.
  • Sperren Sie Ihren Hund nicht in eine zu kleine Hundebox. Er muss die Möglichkeit haben, sich gut darin zu bewegen. Sind Sie auf Reisen, so bieten Sie Ihrem Hund etwa alle zwei Stunden freie Bewegung ausserhalb seiner Transportbox, damit er seine Beine vertreten kann.
  • Bei jedem Wetter, aber insbesondere bei kalter, feuchter Witterung: Trocknen Sie Ihren Hund gründlich und ausreichend; bieten Sie ihm einen warmen Platz an, mindestens solange sein Fell noch etwas feucht ist.

  • Quelle: Das schweizer Hundemagazin 3/2006
  • Autor: Dr. med. vet. Gabrielle Schneidegger-Brunner

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